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Winter

Es könnte ein schönes Bild sein.
Draußen herrscht Eiseskälte. Die kahlen Bäume zeichnen einsam ihre Schriften in den grau-weißen Himmel. Filigraner Frost verziert vergessenes Laub. Meisen, Rotkehlchen und Eichhörnchen streiten um die Futterstelle. Vielleicht liegt auch Schnee, weiß und knirschend. Im Inneren des Hauses wird in wohliger Wärme geschrieben, Seite um Seite, während Wolken und Nacht von dem goldenen Licht der Schreibtischlampe fröhlich und umschmeichelnd durchbrochen werden.

An diesen Tagen, an denen das Thermometer im Münsterland sich hartnäckig an die Null-Grad-Marke klammert, versuche ich oft, mir dieses Klischee vorzustellen. Ich weiß noch, dass ich es gelebt habe. Es scheint mir unendlich lange her zu sein. Gerade die Kälte machte in jener Zeit die Arbeit leicht – fühlte ich mich doch hinter der Festung meines Schreibtischs geschützt und geborgen.

Es ist anders geworden. In den Räumen dessen, was eine Wohnung sein möchte, ist der Winter der größte Feind der Produktivität. Es ist nicht so, dass ich nicht arbeite. Aber es ist ein zerhackter und mürrischer Vorgang. Zu zahlreich sind die Ablenkungen, die mit dem Versuch einhergehen, der Witterung standzuhalten, ja, sie irgendwie zu überleben: Der ständige Gang zum Heizkörper in der Hoffnung, zumindest für eine Minute so etwas wie Wärme zu spüren, die kältesteifen Finger, der verspannungsbedingte Muskelkater, die wiederholte Zubereitung von wärmenden Getränken unterbrechen den Schreibfluss immer wieder aufs Neue. Mitten in einem Text werden die Gedanken vom eisigen Durchzug erfasst, der bissig durch das Mauerwerk dringt. Schlechte Laune schleicht sich mit ihm herein.
Der Winter scheint ein einziger langer Tunnel. Und das Ende ist noch so weit …