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Von alten Schreibfreunden

Langsam wird es etwas wärmer. Die Sonne scheint häufiger, die Gärten rund um das Haus verwandeln sich. Saftig-frisches Grün atmet sich mit tiefen Zügen aus der noch feuchten dunklen Erde frei. Rotkehlchen und Heckenbraunellen arbeiten fleißig am Nestbau, während die Amseln offenbar bereits den Nachwuchs versorgen. Mai ist ein Monat ganz aus Licht, hellen Farben und klaren, geraden Formen. Entspannung und Erleichterung hängen in der Luft, in der der Winter endlich nicht mehr nachhallt.

Zu meinen besonderen Begleitern durch diese unvergleichlichen Wochen des Jahres gehörte seit unserem Umzug hierher ein großer Flieder, der wohl vor sehr langer Zeit jenseits eines kleinen Zauns, etwa 15 Meter von meinem Schreibtisch entfernt, sich häuslich eingerichtet hatte. An diesem sonnigen Platz zwischen einer imposanten Weigelie und einer Hauswand muss es ihm sehr gut gefallen haben, denn er wurde kräftig und wunderschön. Seine weißen Blütentrauben, das gesunde Holz und die romantisch anmutenden Zweige verliehen allem, was ihn umgab, einen verträumt-ländlichen, Gelassenheit und Selbstbewusstsein ausstrahlenden Charme.
Was mich aber immer wieder verzauberte, war sein Duft. Jeden Tag, am frühen Abend, in jenen Stunden, in denen die noch zu junge Frühlingssonne die Kräfte verlassen, doch die Nacht noch lange nicht einbricht, erreichte mich sein blumiger Hauch. Gerade dann, wenn ich zu beschäftigt gewesen wäre, um bewusst an ihn zu denken und mich an seinem atemberaubenden Anblick zu erfreuen, zwang mich seine Botschaft, für einen kurzen, magischen Augenblick innezuhalten. Und immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich ihm dankbar und vertraut zulächelte. Sein Duft brachte Wärme und Geborgenheit in meine Gedanken, streichelte schützend meine Haut. In den letzten zehn Jahren wurde er so für mich mehr als nur ein Baum. Er war ein Freund, und sein Duft schenkte mir Zuversicht.

Im vergangenen Sommer zogen neue Mieter ins Nachbarhaus ein. Eines schönen Samstagmorgens in aller Frühe kreischte eine Säge, als würden Schmerzensschreie den frühen Tag zerreißen.
Anstelle des schönen alten Flieders, der unzählige Gewitter, Stürme, Hagelunwetter und sonstiges Ungemach viele Jahrzehnte lang schadlos und stolz überstanden hatte, steht nun eine stylische Gartendusche.

Nun, in diesen Tagen, ist die Zeit gekommen, da er mich wieder begleiten sollte. Aber er ist nicht mehr da.
Das junge Pärchen, das ich nur flüchtig und aus der Ferne gesehen habe, werde ich – einem etwas komplexen Grundstückszuschnitt sei Dank – höchstwahrscheinlich niemals persönlich kennenlernen. Es ist gut so. Denn wer auch immer sie sein mögen – ich kann ihnen nicht verzeihen.
Mein guter alter Freund fehlt mir sehr.