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Artketing

Der Begriff „Artketing“, der zu der Liste meiner Leistungen für Auftraggeber gehört, löst bei den Besuchern meiner Websites unterschiedliche Reaktionen aus. Während einige annehmen, ich hätte einen Tippfehler übersehen und es müsse an dieser Stelle sicherlich etwas ganz anderes stehen, vermuten die meisten einfach eine ihnen unbekannte Modeerscheinung. Tatsächlich liegt kein Rechtschreibfehler vor, und es handelt sich auch nicht um einen Trend. Vielmehr gibt es Artketing schon sehr lange – lediglich die Bezeichnung ist relativ neu.

Etymologisch setzt sich „Artketing“ aus „Art“ (für Kunst) und „Marketing“ zusammen. Wider Erwarten kommt diese Sprachschöpfung nicht aus dem Englischen, sondern aus dem Französischen.
Wörtlich genommen ist es die Nutzung von Kunst im Marketing. Wenn ein Unternehmen einen weltberühmten Künstler beauftragt, eine Werbung oder eine Verpackung in dem für ihn typischen Stil und mit seiner unverwechselbaren Handschrift anzufertigen – z.B. wenn ein Maler Etiketten für Spirituosen oder eine Reihe von Bechern für eine Coffee to go-Marke entwirft, ein Bildhauer einen Parfumflakon designt oder ein Architekt ein Computergehäuse gestaltet –, dann ist es Artketing.

Neben dieser ursprünglichen traditionellen Bedeutung kann Artketing sehr unterschiedliche Facetten aufweisen. Einige Haute Couture-Häuser etwa wenden sich an mittlerweile wie Popstars gefeierte Kalligraphen, um ihren öffentlichen Auftritten oder ihren Mailings den gewünschten exklusiven Charakter zu verleihen. Auch die Promotion eines an sich kunstfremden Produkts durch eine Kunstveranstaltung kann eine Form von Artketing sein. Während Mäzenat durchaus dann als Artketing zu betrachten ist, wenn eine Kunstveranstaltung nicht durch ein Unternehmen als Sponsor finanziell unterstützt wird, sondern einzig und allein zur Bewerbung der kommerziellen Marke dient und zu diesem Zweck organisiert wird, darf Artketing jedoch nicht mit der sogenannten Prominenten-Werbung verwechselt werden: Artketing bezieht sich nicht auf die Person des Künstlers, sondern ausschließlich auf seine Arbeit, und ist nur dann gegeben, wenn entweder die Wiedererkennbarkeit oder der Wert der künstlerischen Leistung in den Dienst der Attraktivität der Marke oder eines bestimmten Produkts gestellt wird und die handwerkliche Fertigkeit Kunstwert hat. Entscheidend ist, dass durch die Einbringung von Kunst in den Marketingprozess ein Erhaltungswunsch geschaffen wird. Die Werbung oder das gestaltete Produkt müssen also einen eigenen Kunstwert jenseits der Werbebotschaft und des tatsächlichen Inhalts besitzen. Dies ist zum Beispiel gegeben, wenn Verpackungen als Sammelobjekt betrachtet werden können. Die Person des Künstlers tritt wie sonst in der echten Kunst auch in den Hintergrund. Die Grenzen zwischen Artketing und Grafikdesign können mitunter fließend sein und definieren sich vornehmlich durch den Grad an schöpferischem Wert, Unikatstellung, Handarbeit und Unreproduzierbarkeit – an Andy Warhols Suppendosen scheiden sich sozusagen die Geister.

Artketing ist eine für Kunst und Marketing gleichermaßen nützliche und profitable Vereinbarung. Die Tatsache, dass ein (unter Umständen idealerweise berühmter) Künstler sein Werk und seinen guten Namen für ein kommerzielles Produkt hergibt, wertet die Marke unermesslich auf. Dies trifft um so mehr zu, als allgemein bekannt ist, dass Künstler sich nicht ohne Weiteres „verkaufen“, sehr prinzipien- und selbsttreu sind und besonders anspruchsvolle qualitative Maßstäbe haben. Willigt ein Künstler mit hohem Ansehen in die Zusammenarbeit mit einer Marke ein, so ist dies für sie eine Auszeichnung und ein wertvolles Signal. Honorar und Umsatzsteigerung stehen in einer solchen Konstellation immer in einem besonders attraktiven Verhältnis. Eine Maßnahme dieser Art vermittelt zudem die Botschaft, dass das Unternehmen in der Lage ist, über den Tellerrand hinaus zu schauen, sich für Detailfragen und Qualität interessiert und innovative, menschlich-emotionale Wege geht.
Parallel zu dieser kaum zu beziffernden Imagewirkung ergibt sich auch ein unmittelbarer Verkaufseffekt. Viele, die vielleicht niemals Interesse an dem Produkt hätten, kaufen es als Sammelobjekt – oder einfach um „dabei“, um Teil einer ungewöhnlichen Aktion gewesen zu sein, bisweilen auch weil es für sie die Gelegenheit ist, ein Stück Kunst zu erwerben, was ihnen finanziell sonst versagt bliebe.
Für junge und weniger prominente Künstler ist Artketing im Gegenzug eine ebenso gewinnbringende Möglichkeit, jenseits eines reinen Mäzenats bekannter und begehrter zu werden. Es ist schon vorgekommen, dass Graffitisprayer über Artketing den Weg aus der illegalen zur legalen und entlohnten Kunst gefunden haben.

Artketing ist eine immer sinnvolle Symbiose und im Grunde der Idealfall des Marketings: Aufmerksamkeit durch Originalität, Einzigartigkeit, Überraschungseffekt. Eine kunstgestützte Werbung wird nicht übersehen und bleibt unvergesslich, setzt sich als ungewöhnlich, wertschöpfend, aber auch sympathisch in der Vorstellung der Konsumenten fest, und erhebt eine ganze Marke auf eine andere qualitative Ebene.

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